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Bundestagswahl: „Katastrophales Ergebnis“ - Drama um Linke spitzte sich lange zu

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Sahra Wagenknecht
Drei Direktmandate sichern der Linken trotz schlechter Prognosen den Einzug in den Bundestag. Dennoch hagelt es Kritik - darunter auch von Sahra Wagenknecht. © Martin Schutt/dpa-Zentralbild/dpa/Archivbild

In der Partei die Linke herrscht Entsetzen und Enttäuschung über die schlechten Prognosen der Bundestagswahl. Drei gewonnene Direktmandate sichern der Linken nun aber den Einzug in den Bundestag.

Update vom 26. September, 23.30 Uhr: Die Linke hat nach den ersten Hochrechnungen um einen Einzug in den Bundestag bangen müssen. Nach Angaben aus Fraktionskreisen hat dieses Bangen nur aber mit großer Sicherheit ein Ende: Die Linke hat nämlich mindestens drei Direktmandate bei der Bundestagswahl 2021 geholt und wird daher sicher in den Bundestag in Fraktionsstärke einziehen können.

Die Abgeordneten Gregor Gysi und Gesine Lötzsch hätten in Berlin „so gut wie sicher“ die Direktmandate in ihren Wahlkreisen gewonnen. Dasselbe gelte für Sören Pellmann in Leipzig. Diese Einschätzung sei sehr verlässlich, da die Auszählung so gut wie abgeschlossen sei. Somit müsste sich die Linke keine Sorgen mehr darum machen, ob sie beim Zweitstimmenergebnis die Fünf-Prozent-Hürde schafft.

Trotz schlechter Prognosen: Linke zieht wegen Grundmandatsklausel in den Bundestag ein

Grund hierfür ist die Grundmandatsklausel, die besagt, dass wenn eine Partei drei oder mehr Direktmandate erreicht, die Fünf-Prozent-Hürde nicht gilt. In diesem Fall erfolgt eine Mandatsvergabe nach Zweitstimmenergebnis. In dieser Situation war die Linke - damals noch PDS - im Jahr 1994. Obwohl sie nur 4,4 Prozent der Zweitstimmen erreichte, erhielt sie wegen vier direkt gewonnenen Mandaten auch 26 Landeslistensitze.

Erstmeldung vom 26. September, 21.00 Uhr: Berlin - Die aktuellen Prognosen der Bundestagswahl 2021 sind für die Linke eine herbe Niederlage. Oder mit den Worten des parlamentarischen Geschäftsführers der Linken im Bundestag: „Das ist in jeder Hinsicht beschissen. Das ist ein katastrophales Ergebnis“. Die aktuellen Prognosen sehen die Linke nämlich exakt bei fünf Prozent. Dementsprechend ist unklar, ob die Partei überhaupt in den Bundestag werden einziehen können.

Eine mögliche Rettung im Falle eines Ergebnisses unter fünf Prozent könnten die Direktmandate sein. Es werden drei benötigt, damit eine Partei mit einem Wahlergebnis unter fünf Prozent in den Bundestag einziehen kann. Die benötigten Direktmandate könnte die Linke in Berlin und Leipzig erreichen. Das Ergebnis zeigt in jedem Fall eindrücklich, dass die Linke massiv an Wählern verloren hat. Bei der letzten Bundestagswahl im Jahr 2017 erhielt die Partei noch 9,2 Prozent der abgegebenen Stimmen. (Scholz oder Laschet? Letzte Prognosen und erste Ergebnisse bekommen Sie in unserem Politik-Newsletter.)

Zittern um Einzug in den Bundestag: „herber Schlag“ für die Linke

Die schlechten Prognosen für die Linke haben innerhalb und außerhalb der Partei viele Reaktionen ausgelöst. Die Parteivorsitzenden Susanne Henning-Wellsow und Janine Wissler sprachen von einem „herben Schlag“. Man habe den Fokus auf die soziale Frage gelegt, was allerdings nicht wie geplant „gezogen habe“. Den Abwärtstrend habe man schon in den letzten Jahren beobachten können. Das Fazit der Parteichefinnen: „Wir müssen uns neu entwickeln“. Dennoch zeigten sich Henning-Wellsow und Wissler selbstbewusst. Die Linke werde ihrer Auffassung nach gebraucht. Dabei betonte Wissler besonders den Zusammenhalt innerhalb der Partei: „Wir gewinnen gemeinsam und wir verlieren gemeinsam.“

Der Sprecher der bayerischen Linken, Ates Gürpinar, betonte, dass die „Stimmung im Volk“ für die Partei gut gewesen sei, was sich allerdings nicht in den Stimmen niedergeschlagen habe. Angesichts des engen Rennens zwischen CDU und SPD seien seiner Einschätzung nach viele Linke-Wähler zur SPD umgeschwenkt. Besonders groß ist die Enttäuschung beim parlamentarischen Geschäftsführer der Linken im Bundestag, Jan Korte: „Dass es so schlecht wird, hätte auch ich nicht für möglich gehalten“. Aktuell hoffe er nur, dass die Linke es über die Fünf-Prozent-Hürde schaffe. Auch er äußerte sich zu den Ursachen: Grundproblem sei, dass viele Sachen und Wahlniederlagen nicht offen und klar analysiert worden seien.

Dietmar Barsch optimistisch: „Wir werden über fünf Prozent kommen“

Einen optimistischeren Blick auf die aktuellen Prognosen hat Linken-Spitzenkandidat Dietmar Bartsch. Er ist überzeugt, dass die Linke in den Bundestag einziehen wird. „Ja, wir werden über fünf Prozent kommen, das ist überhaupt keine Frage und wir werden auch mehr als drei Direktmandate gewinnen. Das ist auch keine Frage“, so Bartsch am Sonntagabend bei der Wahlparty der Linken in Berlin. Bartsch betonte vor allem die künftige Oppositionsrolle der Partei: „Unser Platz im Deutschen Bundestag wird die Opposition sein.“ Die Möglichkeit einer Koalition mit der SPD und den Grünen in einer Regierung sieht er offenbar nicht mehr.

Auch die Linken-Politikerin und ehemalige Fraktionsvorsitzende Sahra Wagenknecht kritisiert ihre Partei. Am Sonntagabend führte sie im ARD-Wahlstudio ihre Vermutungen zu den Ursachen der schlechten Prognosen an: „Wir haben jetzt seit mehreren Jahren (...) eher maue Wahlergebnisse gehabt. Und ich denke, das hat etwas damit zu tun, dass die Linke sich in den letzten Jahren immer weiter von dem entfernt hat, wofür sie eigentlich mal gegründet wurde, nämlich als Interessenvertretung für normale Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, für Rentnerinnen und Rentner“.

Kritik von Sahra Wagenknecht an der Linken: „von dem entfernt, wofür sie gegründet wurde“

Auch sie plädiert dafür, dass die „eigenen Fehler“ offen eingestanden und diskutiert werden. Die Vehemenz, mit der sich die Linke „immer wieder als Koalitionspartner angedient“ habe, sei ihrer Auffassung nach ebenfalls kritisch zu sehen. Linken-Politiker Benjamin-Immanuel Hof sieht die Ursache für die schlechten Prognosen nicht in einem verfehlten Wahlkampf.

Er macht die „seit Jahren verschleppte strategische Entscheidung, als sozialistische Partei klar für einen progressiven Gestaltungsanspruch in Regierungsverantwortung zu stehen“ für den Kampf um den Einzug in den Bundestag verantwortlich. Hoff, der Mitglied des Kabinetts von Bodo Ramelow in Thüringen ist, sieht in dem Stimmenverlust ein bitteres Ergebnis für „das Ziel eines Linksrutsches und einer progressiven Gestaltungsmehrheit in Deutschland“. Diese bestehe mit FDP und CDU/CSU nicht. (at/dpa)

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